Bericht
von Christiane Welk – 07.02.2015
Freude, Glück und Dankbarkeit – das sind Gefühle, die mich im Moment durchströmen, wenn ich an die erste Schulwoche zurückdenke. Zusätzlich abgesichert durch die Lektüre des Buches von Luise Reddemann: Überlebenskunst, in dem sie an Hand von Bach-Kantaten zeigt, wie stark diese Kantaten von einer Fähigkeit zur Resilienz durchdrungen sind, dass sie uns Kraft geben auch schwierige Situationen zu überleben. Ich feiere, dass ich ganz behutsam vorgegangen bin.Doch zurück zur Schule. Ich feiere, dass ich ganz langsam und behutsam vorgegangen bin und gerade nicht alles auf einmal gemacht habe – und feiere, was ich vermutlich gerade dadurch schon alles gemacht habe. Der Anfang mit dem Lied: How could anyone... war ganz berührend. Erst kam es den Schülern schon sehr fremd vor – sie waren skeptisch und dennoch habe ich mich nicht beirren lassen, wir sind den Text durchgegangen, haben es immer wieder angehört und leise versucht mitzusingen.
Nach 6,7 Durchgängen wurde das Lied ihnen vertrauter, sie fingen an Gefallen daran zu finden, V. und U. waren ganz mutig beim Mitsingen. Damit beließ ich es am ersten Tag und wir gingen zu den anderen “Unterrichtsgeschäften“(Stundenplan,..) über.
Am nächsten Tag übte ich mit ihnen „Compassionate Listening“ jeweils drei Minuten, was recht lang war, doch ihr Bedürfnis zu reden und sich mitzuteilen war erfüllt. Danach probierten wir wieder das Lied zu singen, jetzt schon ein bisschen vertrauter und ich habe es auch auf der Flöte vorgespielt. Danach klatschten alle ganz spontan. Wir haben es noch zwei, drei Mal gesungen. Danach mit den Steckbriefen angefangen. Ich hatte ihnen meinen mitgebracht und ließ sie dann an ihrem arbeiten. Das war sehr angenehm, sie konnten sich auf beide Räume verteilen, es gab keinerlei Hektik oder dergl. Ich konnte derweil die Sachen einräumen und war gleichzeitig für jeden da.
Am dritten Tag habe ich zu Beginn einen ganz üblichen Erzählkreis gemacht, einige erzählten, andere nicht. Dann sind wir zu den Steckbriefen übergegangen. Als weitere Aufgabe habe ich sie Matheaufgaben erfinden lassen, die sie erst für sich lösen sollten, dann auf ein Blatt schreiben und es einem anderen Mitschüler geben, damit er /sie lösen möge. Das haben sie sehr gerne gemacht.
Donnerstag kam ich dann mit den Gefühlskarten, sie konnten sich eine aussuchen und dazu etwas sagen oder nicht.
Danach wurde an den Steckbriefen weitergearbeitet und in der Erdkundestunde sprachen wir zunächst über das, was sie über Deutschland und Europa wissen. Anschließend bekamen sie die Aufgabe, dieses in ihrem Heft mit Hilfe von Buch und Atlas festzuhalten. Sie verteilten sich wieder über beide Räume, die beiden Klassen inzwischen leicht gemischt.
In Arbeitslehre fing ich an der Tafel an eine Mind-Map zu entwickeln. Sie haben ganz begeistert mitgemacht; D. meinte irgendwann: „Sagt nicht soviel, das müssen wir alles abschreiben“, die anderen ließen sich glücklicherweise davon nicht beeindrucken und ich ließ es offen, ob sie das abschreiben würden oder nicht, so konnten wir sie zu Ende bringen. Am Schluss fingen sie an viele Berufe zu nennen und so lautete die Aufgabe, in Dreier-Gruppen so viele Berufe wie möglich zu finden. Wieder machten sie sich an die Arbeit. Am Schluss wurden sie vorgelesen, kein Beruf durfte zweimal genannt werden.
Freitag standen zwei Mathestunden auf dem Plan, wir begannen wieder mit einer Runde. Schon da fiel mir A. auf, die gar nichts sagen wollte und so aussah, als würde sie gleich weinen. Ich fragte nicht weiter nach und blieb mit einem Teil meiner Aufmerksamkeit bei ihr. Wir machten einige Kopfrechenübungen gemeinsam. Danach bekamen sie Aufgaben aus dem 5er bzw. 6er Buch, sollten sich die Aufgaben anschauen und mit Hilfe eines Selbsteinschätzungsbogens gucken, ob sie damit alleine zurecht kämen, ob sie Hilfe brauchen oder die Aufgaben gar nicht konnten.
A. hielt sich die Hände vor die Augen, ganz langsam schaute sie das Blatt an, schrieb auch etwas darauf und saß dann ganz still an ihrem Platz. Die anderen machten sich an die Arbeit und ich ging einmal kurz rum um zu sehen, was sie geschrieben hatten und ging dann zu A. Sie hatte auf ihren Bogen geschrieben: "Ich kann gar nichts." Daraufhin setzte ich mich zu ihr und sagte ihr zum einen, dass ich das nicht glauben könne und fragte sie, ob wir mal gucken könnten, was sie bis jetzt gekonnt hätte. Sie nickte, schaute mich an und wir gingen die Kopfrechenaufgaben durch. Von 21 Aufgaben hatte sie immerhin 14 richtig gelöst. Bei jeder Aufgabe, die ich als richtig markieren konnte, lebte sie etwas auf und wurde gelöster. Dann gab ich ihr weitere Aufgaben dieser Art aus dem Buch, die sie im Heft lösen sollte. Sie machte sich an die Arbeit, ich blieb noch etwas neben ihr sitzen und wendete mich dann den anderen zu, die inzwischen auch Fragen hatten.
Nach einer Weile ging ich wieder zu ihr, sie hatte inzwischen mehr Mut und konnte auch sehen, dass sie besser eine Reihe frei ließe zwischen den Aufgaben. Leider radierte sie dann die Aufgaben wieder weg, das sah ich erst, als es schon geschehen war, aber sie machte sich wieder an die Aufgaben und wirkte jetzt viel gelöster und konnte auch in die Klasse rein etwas sagen.