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Eine so einfache und gleichzeitig so schwierige Kunst
von Christiane Welk – 10.10.2016
Jedes Mal, wenn ich dem Text von Michael Ende aus dem Buch „Momo“ zum 'Zuhören' begegne, bin ich berührt und inspiriert.
„Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war: zuhören.
Das ist nichts Besonderes, wird nun vielleicht mancher Leser sagen, zuhören kann doch jeder. Aber das ist ein Irrtum. Wirklich zuhören können nur ganz wenige Menschen.
Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig. Momo konnte so zuhören, dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanken kamen. Nicht etwa, weil sie etwas sagte oder fragte, was den anderen auf solche Gedanken brachte, nein, sie saß nur da und hörte einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit und Anteilnahme.
Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an und der Betreffende fühlte, wie in ihm auf einmal Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten. Sie konnte so zuhören, dass ratlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden.
Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz verfehlt und bedeutungslos und er selbst nur irgendeiner unter Millionen, einer, auf den es überhaupt nicht ankommt und der ebenso schnell ersetzt werden kann wie ein kaputter Topf – und er ging hin und erzählte das alles der kleinen Momo, dann wurde ihm, noch während er redete, auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte, dass es ihn, genauso wie er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab und dass er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig war.
So konnte Momo zuhören!“
aus: Michael Ende: Momo, Thienemann 1973
Zuhören heißt, mit offenem Herzen das aufzunehmen, was der andere mitteilen möchte.Der Text spiegelt für mich die Haltung wieder, mit der wir in der Gewaltfreien Kommunikation zuhören, ganz präsent beim Anderen sein, mit offenem Herzen den/die andere begleiten und aufnehmen, was der/die andere mir mitteilen möchte.
Dadurch können wir eine Beziehungsqualität schaffen, die eine Tiefe und eine Verbindung erreicht, die wir uns vielleicht gar nicht haben vorstellen können.
„Wenn...dir jemand wirklich zuhört, ohne dich zu verurteilen, ohne dass er den Versuch macht, die Verantwortung für dich zu übernehmen oder dich nach seinem Muster zu formen – dann fühlt sich das verdammt gut an. Jedes Mal, wenn mir zugehört wird und ich verstanden werde, kann ich meine Welt mit neuen Augen sehen und weiterkommen. Es ist erstaunlich, wie scheinbar unlösbare Dinge doch zu bewältigen sind, wenn jemand zuhört. Wie sich scheinbar unentwirrbare Verstrickungen in relativ klare, fließende Bewegungen verwandeln, sobald ich gehört werde."
aus: Michael Ende: Momo (im Originaltext: „man“ statt „ich“)
Es ist ein Geschenk!
Und Empathie ist ein Geschenk!
Und dieses Geschenk können wir in einer einfachen wie komplexen Übung erleben:
Zwei Personen sitzen sich gegenüber.
Person A beschreibt 5 Minuten lang ein trauriges oder erfreuliches Erlebnis oder eine Situation, mit der sie nicht zufrieden ist, mit der sie sich wieder und wieder beschäftigt oder...
Die andere Person (B) hört zu. Sie stellt keine Fragen oder greift ein, sondern signalisiert mit ihrer Körperhaltung und Mimik, dass sie bei der anderen Person ist.
Nach den 5 Minuten gibt B wieder, was er/sie gehört hat, ca. 3 Minuten.
Danach überlegen beide, welche Gefühle ausgelöst wurden bei Person A und welche Bedürfnisse erfüllt oder nicht erfüllt waren.
Danach Rollenwechsel
Anschließend Auswertung in der Gesamtgruppe:
Was nehme ich aus dieser Übung mit?
Wie geht es mir jetzt?
Es können Dreiergruppen gebildet werden. A erzählt, B und C hören zu, danach gibt B wieder und C benennt die Gefühle und Bedürfnisse.
oder
A erzählt, B und C hören zu, B gibt wieder und C gibt B ein Zeichen, wenn er/sie beim Wiederholen moralische Bewertungen, Verurteilungen ... einfließen lässt.
(s.a.: I. Kauschat/ B. Schulze: Das große Praxisbuch zum wertschätzenden Miteinander, 101 Übungen zur Inspiration Ihrer Seminare und Gruppen auf Basis der Gewaltfreien Kommunikation, BoD – Books on Demand, Norderstedt)
Viel Freude beim Ausprobieren!